Volksschule
"Zihni Pascha"
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Roman
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NACHMITTAG
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Sigmundsherberg,
17. 09. 2019
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Auch hier sind Holztische und Sitzbänke. Ich setze mich diesmal nicht ganz nach vorne, aber auch diesmal bei dem "Fluchtgang". Das "Essenshaus" ist viel größer als die Klasse. Ganz vorne ist ein sehr großer Ofen mit einer Platte ganz oben aus Gusseisen. Den nennen sie "Kuzine". Da das "Neutürkische" sich aus gestohlenen und erfundenen Wörtern zusammensetzt, kommt das Wort "Kuzine" aus französisch: "Küche" (=Cuisine). Der
Hademe ist voll beschäftigt. Er füllt die Kuzine immer wieder
mit Kohle nach. Die Kinder tragen ihre mitgebrachten Alutöpfe dorthin
und stellen sie auf die heiße Ofenplatte. |
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Foto:
"Kuzine", gefunden im Internet. Quelle: Unbekannt
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Viele Kinder haben geflochtene Korbe vor ihnen. Das heißt "Yemek Sepeti" (=Essenskorb). Meine Mutter hat zwei Scheiben Brot mit Margarine "Sana" und Marmelade geschmiert, in die Zeitung von meinem Vater gewickelt und in meine Schultasche gesteckt. Die Lehrerin sagt, "Wenn jemand Durst hat, in der Toilette gibt's einen Messinghahn." Dann
kommt sie zu mir: Mein Vater hat recht gehabt. Die Schule ist ganz schön teuer. Nach dem Essen untersuche ich die Kuzine von allen Seiten gründlich. Dann gehe ich wieder in die Klasse zurück. "Liebe
Kinder! Heute habt ihr etwas gelernt. Das ist sehr wichtig. Das dürft
ihr niemals vergessen. Dann beginnt sie: "Türküm! Sie schaut uns genau an. Also schreie diesmal auch ich mit. Dann wiederholen wir das Ganze noch einmal. Und dann noch ein mal. Ich habe bereits das ganze auswendig gelernt, auch wenn ich die Hälfte davon nicht verstehe. "
Das heißt "And içmek" (=Schwur trinken). Ab jetzt
werden wir das jeden Tag vor dem Unterricht wiederholen." "Türküm! Noch
einmal dasselbe. Auch ich mache jedes Mal richtig mit. Denn, ich will
ein guter Maschinenbauingenieur werden. Dann ein letztes Mal die Höllenglocke. Dafür gibt's kein neutürkisches Wort. Daher sagen wir griechisch "Paidos" (=Feierabend.) (*) Endlich macht der Hademe das Schultor auf. Ich bin einer der ersten, die hinaus laufen. Ich mache einige Sprünge wie eine Heuschrecke. Meine
Mutter wartet schon vor der Schule. Sie kommt zu mir. Ich klammere mich
an sie. Eine Weile Stille. Dann
fragt sie: "Wie war es?" Wir marschieren in Richtung Zuhause. Mein Vater kommt. Sofra wird aufgebaut. Wir essen. Nach dem Essen bekommt er seinen Kaffee. Er
schlürft ein paar Schlucke, macht seine Zeitung auf und schaut mich
über seine Zeitung an: Ich sage nichts. Aber mache das von meinen Kindheitsfotos bekannte Zitronengesicht. "Hast du etwas gelernt?" Ich stehe auf und fang zu schreien an: "Türküm! Ich bin fertig... Meine
Mutter hebt ihre Hände auf, sowie wenn sie applaudieren wollte. Mein Vater hat sein Pokergesicht. Habe ich einen Fehler gemacht? Eine Weile Stille. Dann liest er seine Zeitung. "Vater!" "Ja?" "Was heißt Türk?" Er denkt ziemlich lang. Dann sagt er: "Pass auf! Du darfst diese Frage in der Schule niemals stellen. Sonst verliere ich meine Arbeit und wir haben nichts mehr zu essen. Hast du mich verstanden?" "Ich habe dich verstanden!", sage ich. Ich bin eine ständige Gefahr für dieses junge Paar. Wegen mir können sie obdachlos werden, ihr Brot verlieren Nach einer Weile hebt mein Vater wieder seinen Kopf auf: "Diese Frage musst du selbst beantworten. Ich habe meine Antwort selbst gefunden. Du musst suchen." Und liest weiter. 2007 war die Dissertation für mein zweites Doktoratsstudium fertig. Titel:
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(*)
Paidos: Faidos : (Alt-Griechisch) Mittagspause für das Essen. Information: Onno Arslanyan |
was bisher geschah? |
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